Hemmschwelle Kirche am Beckenrand diskutiert

Teilnehmer entwickeln bei Workshopwochenende im ehemaligen Hallenbad Nord in Ludwigshafen neue Formen christlicher Gemeinschaft

Gottesdienstexperiment, wo früher Schwimmen gelernt wurde: Felix Goldinger (rechts) mit Workshopteilnehmern. Foto: Kunz

Ins Gespräch kommen, Neues auf den Weg bringen – mit dieser Intention waren rund 90 Teilnehmer zum „Spring“-Wochenende ins Innovationszentrum „Freischwimmer“ in Ludwigshafen gekommen. Die Organisatoren der ökumenischen Initiative „Schon jetzt“ wollten jenen ein Forum bieten, die sich Gedanken machen, wie die Kirche von morgen aussehen könnte.

Am Beckenrand des ehemaligen Hallenbads wird diskutiert. Es geht um ein Dilemma, das viele aus Erfahrung kennen: Man möchte etwas anbieten – eine Jugendfreizeit, eine Gymnastikgruppe oder einen Singkreis. Doch sobald klar wird, dass es ein Angebot der Kirche ist, nehmen viele Abstand. „Wie kann ich diese Hemmschwelle Kirche überwinden“, fragen sich viele Anwesende. Anlass genug, um eine der Abschlussrunden dem Thema zu widmen.

„Die Leute haben regelrecht Angst davor“, sagt ein Teilnehmer. „Man wird im Büro ja schon belächelt, wenn man sonntags in die Kirche geht“, berichtet eine andere und ist dennoch überzeugt: „Ich denke, nur so geht’s – durch Vorleben.“ Doch was ist mit Kirche gemeint? Das Gebäude? Die Gemeinde? Der Glaube? Und was sollen die Angebote erreichen? Die Menschen in die Kirche holen? Ihnen einfach etwas Gutes tun?

Dass jeder anders an das Thema herangeht, liegt schon daran, dass hier Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammengekommen sind. Junge Erwachsene, Menschen mittleren Alters und Senioren, Katholiken und Protestanten, Hauptamtliche und an kirchlicher Arbeit Interessierte. Aber es geht gar nicht um Lösungen an Ort und Stelle, sondern um Denkanstöße, um neue Formen von christlicher Gemeinschaft zu entwickeln.

„Was alle eint, ist das Bewusstsein, dass die Veränderungen, die in beiden Kirchen anstehen, so gravierend sind, dass wir uns über neue Formate austauschen müssen“, sagt Felix Goldinger vom Bistum Speyer. Gemeinsam mit Stefanie Schlenczek, Pfarrerin beim Missionarisch-Ökumenischen Dienst der Landeskirche, leitet der Pasoralreferent die Initiative, die dafür Stamm­tische in der Region anbietet.

Zu „Spring“ seien auch Menschen gekommen, die Neuem kritisch gegenüber stünden, sagen Goldinger und Schlenczek. Doch sie seien dafür offen. „Bei diesem Format geht der Blick auf die Orte, wo die Leute herkommen“, sagt Schlenczek. „Die Kirche von morgen muss sich an den Interessen und Nöten orientieren“, nennt sie einen Grundgedanken, der sich im Seminar herausgestellt hat. Ein Weg könne sein, Kirche an Orten zu leben, an denen sie bisher nicht präsent war.

„Die Leute haben die Chance genutzt, andere zu fragen, die es einfach mal ausprobiert haben“, sagt die Pfarrerin. Vor allem Bob und Mary Hopkins aus England berichten an diesen drei Tagen über ihre Erfahrungen in der „FreshX“-Bewegung, die Gemeinden und Gemeinschaft dort entstehen lässt, wo Menschen sich treffen und wohlfühlen. Wie die „FreshX“-Ideen sich auf Kirche in Deutschland übertragen lassen, zeigt Katharina Haubold von der CVJM Hochschule Kassel. Und Marlin ­Watling, Leiter der freikirchlichen „Mosaik“-Gemeinschaft Heidelberg, stellt Projekte vor, bei denen der Kontakt und das gemeinsame Lösen von Alltagsproblemen im Mittelpunkt steht.

Ein weiteres großes Anliegen der Teilnehmer ist, sich zu vernetzen. Dies soll bald über die Homepage möglich sein. Das möchte auch Dorothee Engelhardt von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau nutzen. „Alleine strampelt man sich tot. Man muss ein Team bilden“, sagt die Gemeindepädagogin. Nach einer teilweise frustrierenden Sitzungswoche freut sie sich, dass sie in Ludwigshafen viele interessante Gespräche führen konnte. Für Engelhardt geht die Entwicklung in die richtige Richtung: „Modern, aber eigentlich wieder zurück zu den Wurzeln. Zu dem, was Jesus gemacht hat.“ Julia Köller

www.schon-jetzt.de

 

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