Gottes Schöpfung braucht Wasser

Trockenheit und Dürre sind trotz einzelner Regenfälle in diesem Sommer in Deutschland weit verbreitet

Deutliches Zeichen der Dürre: Aufgesprungener Boden in Hessen. Foto: epd

Ein weiteres Zeichen des Wassermangels: Abgestorbene Kiefern in Sachsen-Anhalt. Foto: epd

Rot angezeigt: Extreme Trockenheit im Sommer 2020. Grafik: UFZ-Dürremonitor

Endlich Sommer. Die Sonne scheint, kein Tropfen Regen zu spüren: Jetzt beginnt das schöne Leben am Badesee, im Freibad, abends Grillen mit Freunden und ein Glas Roséwein auf der Terrasse genießen. Doch so sehr viele das Mittelmeer-Flair vor der Haustür lieben, so stark ächzt das Ökosystem. Denn die Flora und Fauna in Deutschland sind nicht für lange trockene und heiße Phasen geschaffen. „Sommer mit Dürre, Hitzewellen und Starkregen werden zunehmen“, sagt Cassandra Silk, Klimaschutzmanagerin der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau.

Dieses Jahr ist es laut Meteorologen bisher wieder zu heiß und zu trocken: Die ersten drei Monate sind laut Deutschem Wetterdienst das wärmste erste Quartal seit 100 Jahren. Mit knapp 17 Liter Niederschlag pro Quadratmeter regnete es nicht mal ein Drittel der üblichen 58 Liter pro Quadratmeter. In manchen Regionen fiel gar kein Tropfen. Im Mai nur die Hälfte der üblichen Regenmenge. Doch selbst ein leichter Regen wie in den vergangenen Wochen hilft nicht viel. „Der Regen von heute wird erst – wenn überhaupt – zeitverzögert am Grundwasserpegel ankommen“, sagt Silk. Und genau dort fehlt er in manchen Gegenden massiv.

Der Hydrologe Dietrich Borchardt erklärt: Der Regen ist zwar in die oberen Bodenschichten bis etwa einen halben Meter gesickert, aber nicht weiter: Bäume wurzeln viele Meter tiefer, Grundwasser wird in noch größeren Tiefen gewonnen. Starkregen, wie er nach Gewittern fällt, hilft gegen die Trockenheit kaum. „Der Boden kann ihn gar nicht aufnehmen, ein Großteil des Wassers fließt oberflächlich ab“, so Cassandra Silk. Um die Trockenheit abschätzen und verdeutlichen zu können, führt das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung einen Dürremonitor. Das Online-Tool zeigt für etliche Regionen eine außergewöhnliche Dürre an.

Die Folgen sind dramatisch: Bereits in den vergangenen Jahren ist es zu Ernteausfällen gekommen. Für das Pflanzenwachstum ist vor allem das oberflächennahe Wasser bis einen Meter Tiefe relevant. Einzelne Trockenperioden können von Pflanzen gut überstanden werden, wenn die Böden über den Winter reichlich mit Wasser versorgt waren. Doch bleibt es über noch längere Wochen trocken, war der Winter regenarm, muss die Ernte von den Landwirten bewässert werden. Das kostet Geld und verbraucht Wasser. Momentan bewässern Landwirte nur drei?Prozent ihrer Fläche, etwa beim Kartoffel- oder Rübenanbau. „Schätzungen gehen davon aus, dass wir in 20 bis 30 Jahren ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen mit Grundwasser bewässern müssen. Dann werden wir Nutzungskonflikte bekommen, die wir bislang noch nicht kennen“, warnt Hydrologe Borchardt.

Ernüchternd ist die Lage in den Wäldern. „Die Katastrophe ist zur Normalität geworden“, sagt Ralf Bördner von Hessenforst. Die Trockenheit stelle den Wald vor große Probleme: „Zum einen ist sie eine der Hauptursachen für die heutige Massenvermehrung des Borkenkäfers, der den Wald – vor allem die Fichte – schädigt, aber die Trockenheit ist auch insgesamt im Wald ein großes Problem, weil Waldbrände zu flächigen Schäden führen können“, sagt der Waldexperte. Folgen seien bei allen Waldbäumen festzustellen: Ihnen fehle Vitalität, sie seien geschwächt und könnten Krankheiten und Schädlingen keine Gegenwehr leisten.

Hessenforst sieht nicht tatenlos zu. Bereits jetzt hat der hessische Wald eine überdurchschnittliche Mischstruktur. Umso bunter das Portfolio des Walds, desto weniger anfällig ist der Wald. „Wir versuchen, den Wald der Zukunft noch klimastabiler, noch resistenter zu gestalten, das betrifft vor allem die Mischung“, sagt Bördner und fügt an: „Wir wissen aber nicht, welche Probleme in 30, 40, 50 Jahren bestehen.“

Wer nun denkt, die Trockenheit berührt nur die Förster oder Landwirte, der irrt. „Das Thema ist sehr komplex und hat direkten Einfluss auf uns alle“, sagt Cassandra Silk. „Unser Leben ist auf Wasser aufgebaut.“ Zwei Beispiele: Ausgetrocknete Böden ziehen sich zusammen, sacken ab und mit ihnen Häuser. Dabei kann es zu gefährlichen Setzrissen an Wänden kommen. Sogar das Heizen im Winter kann durch die Trockenheit teurer werden, wenn der Wasserspiegel in Flüssen so tief sinkt, dass sie nicht mehr befahrbar sind. Im Hitzesommer 2018 transportierten die Binnenschiffe rund elf Prozent weniger als 2017, rund 25 Millionen Tonnen. Dies treibt den Ölpreis nach oben.

„Und im Sommer hat die Trockenheit direkten Einfluss auf unser Trinkwasser“, sagt Siegfried Rückriegel, Geschäftsführer der Stadtwerke Gelnhausen. Etwa 70 Prozent des Trinkwassers in Deutschland stamme aus Grund- und Quellwasser. Noch herrsche kein Mangel an Trinkwasser. Aber an sehr heißen Tagen kann der Normalbetrieb mitunter nicht aufrechtgehalten werden. „Wenn es im Sommer richtig heiß ist, duschen die Menschen vielleicht zweimal am Tag, füllen für ihre Kinder die Planschbecken, bewässern ihren Garten und trinken zudem mehr Wasser“, so Rückriegel. Dann laufen alle Wasserwerke in kürzester Zeit am Limit. Die Wasserbehälter, von denen aus das Trinkwasser ins Verteilungsnetz und zu den Haushalten fließt, dürfen nicht leerlaufen.

Schuld an den langen Trockenheitsphasen, so vermuten Klima-Experten, könnte eine Omega-Wetterlage sein: Ein im Uhrzeigersinn rotierendes Hochdruckgebiet, das unser Wetter bestimmt, wird seitlich von zwei Tiefdruckgebieten, die sich gegen den Uhrzeigersinn drehen, dauerhaft stabilisiert. Normalerweise sorgt der „Jetstream“ für Bewegung. Dieser starke Wind weht jedoch neuerdings nicht mehr so wie üblich und lässt das Hochdruckgebiet dauerhaft verweilen. Die Folge: Das Wetter über Europa wird weniger abwechslungsreich.

Jetzt gilt es, sich aktiv für den Klimaschutz einzusetzen, um seine Folgen abzumildern, sagt Cassandra Silk. Lebten wir so weiter wie bisher, sei ein Temperaturanstieg unumgänglich. Und dieser forciere den Klimawandel: „Wir müssen die Erderwärmung aufhalten, jedes Grad mehr verschlimmert die Lage.“ Ab einem Anstieg von zwei Grad, so sagen Experten, seien die Folgen des Klimawandels nahezu unbeherrschbar, könnte es zu Kettenreaktionen kommen, die die globale Erderwärmung unkontrollierbar verstärken.

Silk Gemeinden, lädt zu digitalen Klimademos ein, veranstaltet Webinare zum nachhaltigen Einkaufen. Hoffnung bereitet ihr die junge Generation, die mit ihren „Fridays for Future“-Demos dem Thema neuen Aufwind verliehen habe. „Doch ein Umdenken ist möglich“, sagt Silk. Und das beginne bei einem selbst. „Es wird Zeit, etwas zu tun. Mit wenig kann jeder Einzelne etwas erreichen.“ Stefanie Bock

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