Generationen sollen sich wieder auf der Gasse treffen

Team der Ideenschmiede Alte Welt will Jugendliche zu Dorfraumentwicklern machen – Heimatgefühl auch durch mehr Kontakt im Ort

Im Gespräch mit Bürgern: Mitarbeiter des Teams der Ideenschmiede Alte Welt. Foto: M. Hoffmann

Schmieden Ideen (von links): Rudi Zapp, Ingo Schenk, Marion Jäger, Judith Bernhard und Anette Sahoraj. Foto: M. Hoffmann

Es ist alles neu am ehemaligen Schwesternheim Reipoltskirchen. Fassade, Fenster, Treppe, Tür, im Erdgeschoss die Küche, Büros und der große Besprechungstisch nebst Sofaecke. Knapp zwei Millionen Euro hat der Landkreis Kusel in das Gebäude gesteckt, in das sich die Ideenschmiede Alte Welt eingemietet hat. Über fünf Jahre ist das Projekt angelegt, das vor allem durch fast eine Million Euro aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ möglich wurde. Harte Arbeit für die Antragsteller, sagt Ingo Schenk, Referent für Grundsatzfragen beim Landesjugendpfarramt in Kaiserslautern.

Nicht neu ist der Plan, Jugendliche zu bewegen, ihre Heimatorte so zu gestalten, dass sie lebenswert sind. Vor Jahren schon waren „Dorfraumentwickler“ in der Pfalz unterwegs. Jetzt, als breites Bündnis aus vier Landkreisen und der evangelischen Kirche, soll an den Erfolg angeknüpft werden. Kinder- und Jugendarbeit, Demografie, soziale Entwicklung, Seniorenarbeit, hier hat die evangelische Kirche die Federführung. Drei neue Stellen wurden geschaffen, die letzte wurde vor wenigen Tagen mit dem 27-jährigen Sozialwissenschaftler Lukas Wirth besetzt. Dazu hilft für ein Semester Studentin Marion Jäger.

Während des Sommers waren die Sozi­al­ar­bei­te­rin­nen Anette Sahoraj und Judith Bernhard mit dem Alte-Welt-Spielewagen unterwegs. Kontakte knüpfen will die Theaterpädagogin unter anderem mit kreativen Angeboten, letztendlich aber wisse sie nie, was sich entwickelt. „Ein Traumjob.“ Und die in Corona-Zeiten nach Begegnung lechzenden Jugendlichen waren dankbar für die Abwechslung, berichtet die 52-Jährige. Erste Ideen ploppten auf. Ein Jugendraum in Reipoltskirchen könnte unter Umständen wieder genutzt werden. Zuletzt gab es dort Konflikte mit den Erwachsenen. Aber die seien ausgeräumt, so Sahoraj.

Dass Menschen unterschiedlichen Alters miteinander reden, sei entscheidend, Treffpunkte für Jugendliche deshalb auch nicht das zentrale Thema, sagt Schenk. Viel häufiger höre er eher deren Klage, sie kämen mit älteren Leuten nicht in Kontakt. Dabei sind Letztere Teil der Geschichte des Orts. „Wir stellen künstlich die alte Zeit wieder her, in der sich die Generationen auf der Gass’ getroffen haben“, fasst Schenk seine Vision zusammen. „Damit Kinder und Jugendliche wieder Teil des Orts werden, nicht ein Anhängsel.“

Judith Bernhard, die einmal entwickelte Ideen in den Orten begleiten soll, kann das gut nachvollziehen. Die 23-Jährige ist in einem Pfälzer Dorf aufgewachsen. Geschichten von früher habe sie von ihrem Patenonkel erzählt bekommen. Nach ihrem Studium zog sie nach Köln, bereute aber bald die Entscheidung und kehrte zurück in die Pfalz. Sie habe die Heimat vermisst, die bekannten Gesichter auf der Straße. Die Stelle sei insofern wie gemacht für sie.

Schließlich kann sie nachfühlen, was einen Ort zur Heimat macht. „Manchmal machen sich die Leute aber selbst das Leben schwer“, sagt Bernhard. Erwachsene kämen häufig mit einer Erwartungshaltung an die Jugendlichen. „Small Talk ist offenbar eine Kunst.“

Gesprächspartner gibt es schließlich genug. Der ländliche Raum stirbt nicht aus, so lautet Schenks These. „In allen Gemeinden, in denen wir waren, werden Kindergärten ausgebaut.“ Zuletzt habe Corona einmal mehr die Vorteile einer ländlichen Region offenbart. Und mit der Zunahme von Homeoffice sei eine besonders gute Straßenanbindung nicht mehr alleiniges Kriterium. „Herausforderung wird eher sein, wie ich die Neuzugezogenen integriere“, sagt Schenk. Für die Kirche sei das am Ende die große Chance: als Struktur, die Menschen aufnehmen kann. Erste neue Angebote in Kirchengemeinden gibt es bereits, berichtet Presbyter Rudi Zapp, der sich für das Projekt begeistert. Sebastian Best, seit Kurzem Pfarrer von Rathskirchen-Dörrmoschel, will Ansprechpartner sein. Für die Erwachsenenbildung hat Joachim Bäcker eine Beauftragung des Dekanats „An Alsenz und Lauter“. Florian Riesterer

Erstes Infotreffen für interessierte Jugendliche: Donnerstag, 24. September, 18 Uhr, Ideenschmiede Reipoltskirchen, Hauptstraße 14.

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