Falsch wählen kann die Synode kaum

Nachfolge von Christian Schad: Drei gleichermaßen geeignete wie unterschiedlich profilierte Kandidaten

Kandidaten für das Amt des pfälzischen Kirchenpräsidenten (von links): Albrecht Bähr, Marianne Wagner und Dorothee Wüst. Fotos: LK

Wenn die pfälzische Landessynode am 19. September in Speyer zusammenkommt, um eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für Kirchenpräsident Christian Schad zu wählen, hat sie die Auswahl zwischen drei gleichermaßen geeigneten wie unterschiedlich profilierten Kandidaten. Mit Marianne Wagner und Dorothee Wüst kandidieren zwei Frauen, die erst vor wenigen Jahren zu theologischen Oberkirchenrätinnen gewählt wurden – die ersten in der pfälzischen Landeskirche; mit Pfarrer Albrecht Bähr der Beauftragte der Diakonischen Werke in Rheinland-Pfalz.

Der Ausgang dieser Wahl ist nach Einschätzungen aus den vier kirchenpolitischen Gruppen, die in der Synode die Meinungsbildung organisieren, so offen wie noch nie. Zum einen ist angesichts der aktuellen Kirchenkrise und der Profile der Kandidaten die Position jedes einzelnen gefragt, zum anderen gibt es die früher doch recht verbindlichen Absprachen in Personalfragen schon seit einigen Jahren nicht mehr. Und hier geht es nicht um die Wahl eines der fünf Oberkirchenräte, sondern um das Amt des Kirchenpräsidenten, der die pfälzische Landeskirche in den nächsten sieben Jahren in einem möglichst breiten Konsens repräsentieren soll. Das war nicht immer so.

Es war das Ergebnis einer nicht ganz konfliktfreien Gruppenabsprache, als Werner Schramm im Mai 1988 knapp vor Horst Hahn zum Kirchenpräsidenten gewählt wurde. Hingegen zeichnete sich 1998 bereits vorab der Konsens der Gruppenmehrheit ab, als Eberhard Cherdron vor Klaus Bümlein die Wahl gewann. Hatten bis dahin immer zwei pfälzische Oberkirchenräte kandidiert, gab es im Mai 2008 nur noch einen Kandidaten: Christian Schad war damals knapp 50 Jahre alt, seit fast zehn Jahren Oberkirchenrat, und es war klar, dass die Synode ihn mit großer Mehrheit wählen wollte. Sein „geborener“ Gegenkandidat, Oberkirchenrat Gottfried Müller, übte sich daher in Verzicht.

Nun kandidieren statt zweier Oberkirchenräte, erstmals zwei Oberkirchenrätinnen und erstmals ein Landespfarrer für Diakonie. Marianne Wagner ist 58 Jahre alt und wohnt in Neustadt. Sie ist seit 2016 Oberkirchenrätin und zuständig für das theologische Personal und Planungsfragen. Zudem ist sie die Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten.

Dorothee Wüst ist 55 Jahre alt und wohnt in Kaiserslautern. Sie ist seit 2019 Oberkirchenrätin und zuständig für Schul- und Bildungsfragen. Alb­recht Bähr ist 59 Jahre alt und wohnt im saarpfälzischen Kirkel. Er ist seit 2002 Beauftragter der Diakonischen Werke in Rheinland-Pfalz und seit 2011 pfälzischer Landespfarrer für Diakonie.

Albrecht Bähr ist aufgrund seiner vielfältigen diakonischen Aufgaben nicht nur leitungserfahren, sondern auf der kommunal- und landespolitischen Ebene sehr gut vernetzt. Vor dem Hintergrund hoher Austrittszahlen und erheblicher finanzieller Probleme sieht er die pfälzische Landeskirche an einem Wendepunkt. Es sagt: „Behutsame Veränderungen reichen nicht mehr aus.“ Es brauche mehr Führung, um die Prozesse zu bündeln, um es den Kichengemeinden zu ermöglichen, ihre Arbeit vor Ort sicherzustellen. Die Kirche müsse diakonischer in Erscheinung treten und sich von den sehr steifen, dem Staat ähnlichen Strukturen befreien. Er fühle sich belastbar und stehe für die Präsenz vor Ort.

Auch Marianne Wagner hat Leitungserfahrung aus ihrer weltweiten Tätigkeit in der Mission und als langjährige Leiterin des Pfarramts für Weltmission und Ökumene. Sie gilt als eine erfahrene Moderatorin und versteht die Krise der Kirche an erster Stelle als eine geistliche Herausforderung. Strukturen seien Hilfsmittel und keine Heilmittel zur Erneuerung der Kirche, sagt sie. Kirche müsse Neues wagen, um den Menschen von heute mit dem Evangelium zu dienen. Wagner will einer um sich greifenden Angst vor Machtverlust ein Mehr an christlichem Urvertrauen entgegensetzen. Kirche müsse ein Ort sein, an dem Menschen ins Gespräch kommen, untereinander und mit Gott.

Dorothee Wüst bezieht ihre Leitungserfahrung vor allem aus der Landeskirche. Sie war Pfarrerin in Kaiserslautern und in Weilerbach sowie ab 2012 Dekanin in Kaiserslautern, bevor sie 2018 zur Oberkirchenrätin gewählt wurde. Wüst hält Veränderungen in der Kirche an vielen Stellen für erforderlich. Sie sagt: „Wir erleben, dass Menschen mit den Fragen ihres Lebens ringen, aber bei uns keine Antworten mehr vermuten.“ Kommunikation bezeichnet sie als ein Schlüsselbegriff für kirchliches Handeln und das Evangelium von Jesus Christus als „nach wie vor das Beste, was dieser Welt passieren kann“. Dafür müsse Kirche vor Ort erreichbar, ansprechbar und auskunftsfähig sein.

In den vier kirchenpolitischen Gruppen – zurzeit der Arbeitskreis Offene Kirche (AOK), die Kirchlich-Theologische Arbeitsgemeinschaft (KTA), der Synodale Gesprächskreis (SGK) und das Synodale Forum – ist man sich einig: Die pfälzische Landessynode hat eine echte Wahl, und falsch wählen kann die Synode kaum. Ihr Präsident Hermann Lorenz ist denn auch zuversichtlich, dass es bei dieser Auswahlmöglichkeit unter „drei respektablen Persönlichkeiten“ keine Probleme gibt. Allenfalls ein Luxusproblem sieht er noch: Was wird aus der üblichen Gratulationskur in ­Corona-Zeiten? Hartmut Metzger

 

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