Einmal den Eiskanal am Königssee runterbrettern

20 Jugendliche aus der CJD-Jugenddorf-Einrichtung Niedermühle bei Odernheim nehmen an den 20. CJD-Winterspielen in Berchtesgaden teil

Spaß im Schnee: Knapp 900 Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus mehr als 40 Einrichtungen des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland treffen sich vom 14. bis zum 17. Februar in Berchtesgaden. Foto: pv

Beschwören bei der Fahrt zu den Winterspielen den Teamgeist (von links): Jasmin Gerber, Sascha Moquete (hinten), Thomas Leste und Luca Flick. Foto: Löffel

Nein, hier am Fuß des Disibodenbergs, wo sich der Glan völlig eisfrei dahinschlängelt, scheint es wie ein Märchen zu klingen. Und doch: Alle 20 jugendlichen Bewohner der Niedermühle, Außenstelle des CJD-Jugenddorfs Wolfstein bei Odernheim, werden demnächst in drei Meter hohem Schnee tollen. Sie fahren zu den 20. Win­ter­spie­len des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland (CJD) nach Berchtesgaden.

Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus mehr als 40 Einrichtungen des CJD könnnen sich vier Tage lang im Ski- und Snowboardfahren, beim Langlauf oder Rodeln im Eiskanal versuchen. Wer will, kann sich in Wettbewerben messen. Jasmin Gerber freut sich auf eine lockere Zeit ganz ohne Stress wie sonst in der Schule. „Für mich ist es der erste Schneeurlaub überhaupt“, sagt die 18-Jährige, die vor acht Monaten in das Jugendorf gekommen ist. „Ich hab’s mir in der Vergangenheit echt verbockt, mich um die Schule nicht gekümmert“, blickt sie selbstkritisch zurück. In der Einrichtung, in der bis zu 34 Jugendliche mit Alkohol- oder Drogenproblemen – oft in Verbindung mit psychischen Erkrankungen – einen Platz finden, sieht sie eine Chance. „Mir wird geholfen, die Schule abzuschließen.“

Neben politischen, musischen und ­religionspädagogischen Angeboten hat hier auch der Sport seinen Platz, erläutert Iris Kobek vom CJD-Wolfstein. Erlebnissport und Gesundheitspädagogik seien Teil der ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung, damit die Jugendlichen später ein selbstbestimmtes Leben führen könnten. „Kleine Erfolge stärken das Selbstbewusstsein. Alleine schon einen Eiskanal runterzurauschen, erfordert ja Mut.“ Wer das besteht, traue sich auch die nächste Mathematikarbeit zu, sagt Kobek.

Luca Flick kann es kaum abwarten. „Ich bin noch nie den Eiskanal runtergebrettert, das ist bestimmt geil, wie Achterbahnfahren“, sagt der 18-Jährige, der die Zeit in der Einrichtung als Neustart sieht. Der Musikbegeisterte träumt von einem Beruf als Veranstaltungstechniker. „Wahrscheinlich werde ich in einem Betrieb des CJD Wolfstein erstmal Einzelhandelskaufmann lernen.“ Flick schätzt, dass „immer jemand zum Reden da ist, dass ich meine Probleme nicht mit mir selbst ausmache“.

Genau das erfahren die Jugendlichen in besonderem Maß beim Sport, sagt Kobek: „Dass sie gemeinsam ganz viel bewirken können, Teamgeist gefragt ist und Abstimmung untereinander.“ Auf dem Gelände finden sich unter anderem Kletterhalle, Fitnessraum und Kanus. Bei einer Fahrt wie jetzt wachse die Gruppe noch einmal mehr zusammen, sagt Angebotsleiter Thomas Leste. Doch die Winterspiele sind nicht nur sportlich eine Sache, an der einige Jugendliche wachsen können. „Die vielen Menschen, das wird vielleicht eine Herausforderung für mich“, sagt Gerber. Eine Herausforderung, die für die Gruppe unvergesslich bleibt, hofft Neste. Er sieht trotz einer jugendlichen Langläuferin der Einrichtung, die um Medaillen kämpft, den Spaß im Vordergrund; genauso wie der 18-Jährige Sascha Moquete. „Schneeballschlacht, das erste Mal Snowboard fahren, ich will einfach Spaß haben.“ Florian Riesterer

Internat mit Weltklasseathleten

Die Teilnehmer der CJD-Winterspiele in Berchtesgaden nutzen mit der Kunsteisbahn am Königssee und den Pisten am Götschen die Infrastruktur des Regionalzentrums Chiemgau und Berchtesgadener Land. Dieses ist Teil des Olympiastützpunkts ­Bayern. Dazu zählt das Sportinternat Berchtesgaden mit Trainingsmöglichkeiten in Trägerschaft des CJD, das seit 1970 auch Leistungssportler unterstützt, sagt Eduard Gossner vom CJD Berchtesgaden. Maria Höfl-Riesch, Viktoria Rebensburg, Severin Freund, Georg Hackl oder Tobias Angerer haben hier die Schulbank gedrückt und von den Trainingsbedingungen profitiert. Mit den Winterspielen wolle man Menschen das Gefühl geben, Teil der Gemeinschaft zu sein, sagt Sprecher Jens Letzig. Der Veranstaltung komme umso mehr Bedeutung zu, da viele Einrichtungen mangels Förderung immer mehr Freizeiten streichen müssten. flor

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