Ein kraftvoller Klang von Frieden

Miriam Rottmayer aus Elmstein unterrichtet ein Jahr an der christlichen Schule Talitha Kumi in Palästina

Möchte als Volontärin in Sachen Chorleitung den Alltag in Palästina und Israel meistern lernen: Miriam Rottmayer. Foto: LM

Bei der Festveranstaltung zum Abschluss des 39. Landeskirchenmusiktags stand sie auf dem Podium, wurde für ihr beispielhaftes C-Examen im Fach Chorleitung geehrt: Miriam Rottmayer, angehende Kirchenmusikstudentin in Hamburg. Jetzt aber schaut sie erst einmal gespannt in Richtung Naher Osten. Ein durchaus nicht alltäglicher Einsatz erwartet sie dort.

Dass sie nach dem Abitur – gerade am Neustadter Leibniz-Gymnasium abgelegt – nicht gleich ins Studium starten würde, stand für Rottmayer fest. Und auch die Wahl ihres zwölfmonatigen Interims hatte sie lange vor dem Ende der schulischen Laufbahn schon getroffen: Am 11. August wird die 18-jährige Elmsteinerin nach Beit Jala in Palästina aufbrechen und dort ein Jahr lang arabischen Kindern fachgerecht Trompeten- und auch Posaunentöne beibringen. Ehrenamtlich, versteht sich.

„Brass for Peace“ lautet die Hausnummer, unter der Rottmayer im Auftrag des Berliner Missionswerks in der christlichen Schule Talitha Kumi in Beit Jala nahe Bethlehem ihren sozialpädagogischen Dienst antreten wird. Gemeinsam mit einer Festangestellten und einem weiteren Volontär wie sie wird sie dort einsetzen können, was sie schon ihre ganze Teenagerzeit über leidenschaftlich praktiziert hat: die musikalische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.

Als Zweitälteste von vier Geschwistern in eine echte Bläserfamilie hineingeboren – die Mutter leitet den bekannten protestantischen Posaunenchor „Soli Deo Gloria“ im Elmstein –, sind Trompete, Orgel und Klavier für Miriam Rottmayer von klein auf Medien der Kommunikation, Alltagsbegleiter. Rottmayer bringt sich ein als Mitglied der Schulbigband, des Jugendposaunenchors der Pfalz, der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz und der Neustadter Stiftskantorei – und ist im heimischen Elmstein und bei Probenphasen des Landesverbands der Posaunenchöre immer wieder unterrichtend und leitend unterwegs.

Dass sie einmal Kirchenmusik studieren würde, sagt die frischgebackene Abiturientin, stand zu keiner Zeit infrage, danach allerdings solle ein Blechbläser-Studiengang draufgesattelt werden. „Ich sehe mich weniger als Kantorin, eher denke ich in Richtung Posaunenwartin. Das ist einfach mein Ding.“ Die Musikhochschule Hamburg, der Wunschstudienort, hat ihr nach bestandener Aufnahmeprüfung den verspäteten Start 2019 abgesegnet.

Jetzt also Palästina. Mit vier weiteren Ehrenamtlern wird sie sich eine WG-Unterkunft im Gästehaus des weitläufigen Geländes teilen. Für Unterkunft und Verpflegung wird die Berliner Mission – Trägerverband der Schule – aufkommen. Dazu erhält jede freiwillige Hilfskraft 120 Euro Taschengeld monatlich ausbezahlt. Rund 44 Wochenstunden, so erzählt Rottmayer, werde sie im Einsatz sein, Gruppen- und Einzelunterricht erteilen – sowohl Trompete als auch Posaune, in der Form von Regelunterricht und in der Form von Arbeitsgemeinschaften. 30 Anfänger seien zum nächsten Schuljahr gemeldet, drei Bläser-Ensembles unterhält die ausgesprochen kunstsinnige Einrichtung. Öffentlichkeitswirksam nähmen diese an Gottesdiensten, Schulfeiern, bei Auftritten in Jerusalem und Bethlehem teil. Nicht immer gelinge es, für die arabischen Kinder Passierscheine zu den jüdischen Gebieten zu erhalten, habe sie von Vorgängerinnen erfahren. Auch diplomatisches Geschick zählt zum Regelkanon.

Auf Konfliktpotenzial sei sie innerlich eingestellt, bekräftigt die Jungpädagogin. Nicht zuletzt die Schulungen, die sie im Vorfeld beim Berliner Missionswerk absolviert, versuchen darauf vorzubereiten. Jeweils die Hälfte der rund 800 Schülerinnen und Schüler in Talitha Kumi sind Christen und Muslime. Verständigen werde man sich zu Anfang hauptsächlich auf Englisch, aber dann doch rasch auf Arabisch. „Das lerne ich jetzt schon hier, und auch vor Ort wird es einmal wöchentlich Sprachunterricht für uns geben. Ein Umstand, den Miriam unbedingt auf der Habenseite ihres weiteren Lebenswegs verbucht.

Ohne Scheu geht sie in ihre neue Aufgabe, versichert Rottmayer. Sie habe sich sehr bewusst für den Dienst unter diesen besonderen Vorzeichen entschieden. „Ich möchte über den Tellerrand schauen. Hier bei uns wird man eben doch sehr schnell bequem.“ Sie wolle lernen, sagt sie, wie man auch unter extremen Bedingungen den Alltag meistert, der Zuversicht Raum gibt. „Brass for Peace“ sei unparteiisch, eröffne Möglichkeiten des friedlichen Miteinanders jenseits der politischen Gemengelage. „Die jungen Menschen bekommen etwas mit auf ihren Lebensweg, was ihnen niemand mehr nehmen kann: Freude am Musizieren zum Lobe Gottes, für den Frieden, gegen Gewalt.“ So Miriams begeistertes Statement.

Wie alle Aktivisten, die sich für den Dienst unter dem Banner der 2008 ins Leben gerufenen Vereinigung „Brass for Peace“ entschieden haben, ist sie gehalten, im Vorfeld einen Freundeskreis ins Leben zu rufen, der unterstützend ihre Arbeit begleitet. Von den Spenden werden beispielsweise Instrumente gekauft oder auch mal repariert. Gertie Pohlit

Informationen zum Freundeskreis per E-Mail an miriam.rottmayer(at)nospambrass-for-peace.de, zum Verein unter www.brass-for-peace.de.

Das Modell Talitha Kumi

Der Name ist Auftrag und Programm: „Mädchen, stehe auf“, so die deutsche Übersetzung aus dem Aramäischen für Talitha Kumi, älteste evangelische Schule in Palästina. 1851 von Kaiserswerther Diakonissen in der christlichen Ansiedlung Beit Jala bei Bethlehem gegründet, steht die Einrichtung im heutigen Palästina beispielhaft für die Botschaft zur Versöhnung und zum Frieden.

Träger des Schulzentrums, zu dem neben der von knapp 800 Schülerinnen und Schülern besuchten Grund- und Oberschule auch ein Kindergarten, eine Hotelfachschule und ein Mädcheninternat gehören, ist heute das Berliner Missionswerk. Im Schulbereich sind Christen und Moslems jeweils zur Hälfte vertreten, im Kindergarten mit seinen insgesamt 170 Kindern sind mittlerweile 70 Prozent muslimischen Glaubens.

Talitha Kumi versucht, in einer Atmosphäre von Toleranz der deutschen wie palästinensischen Kultur Rechnung zu tragen, und bietet nach eigenen Angaben in der pädagogisch abgestimmten Begegnung, im respektvollen Umgang miteinander ein Klima des Friedens und der Verständigung.

Der Verein „Brass for Peace“ hat sich vor genau zehn Jahren in diesen Prozess eingeklinkt und entsendet seither regelmäßig Volontäre, die für jeweils ein Jahr für die Altersgruppe der Sieben- bis 16-jährigen Unterricht am Blasinstrument und im Ensemblespiel erteilen. Drei Blechbläser-Formationen existieren inzwischen als Arbeitsgemeinschaften in Talitha Kumi. Diese spielen in Gottesdiensten, bei Festen und Konzerten und betreiben somit wertvolle Öffentlichkeitsarbeit. Ihre schlichte Botschaft heißt: Gemeinsam schaffen wir den Frieden. gpo

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