Die Dokumentation: Mutig und aus der Not geboren

Zwischen Papst und Partizipation führt der Synodale Weg über einen schmalen Grad • von Paul Metzger

Hat Beistandsgebete bitter nötig: Der Synodale Weg in Deutschland. Foto: epd

Am 30. Januar 2020 hat Kirchenpräsident Christian Schad dazu aufgerufen, den Synodalen Weg, den die deutsche römisch-katholische Kirche gehen will, im Gebet zu begleiten. Diese Geste der Verbundenheit scheint bitter nötig, da die katholische Kirche Neuland betritt; allerdings nur in der Moderne. Eigentlich weist die Kirche von Beginn an ein synodales Element auf.

Schließlich bedeutet „Synode“ nur „Treffen“ oder „Versammlung“ von Menschen, die ein gemeinsames Anliegen teilen. Von Verfassung und Organisation der Synagogen übernehmen die ersten Christen ein Leitungsmodell, das auf Partizipation setzt und davon überzeugt ist, dass Gemeinden gemeinsam geführt werden müssen.

Das Neue Testament berichtet von vielen Versammlungen, auf denen die Fragen der Zeit diskutiert und entschieden werden. Bekannt ist das „Apostelkonzil“, von dem im Galaterbrief berichtet und in der Apostelgeschichte erzählt wird. Aber auch kleinere Erzählungen zeigen, dass wichtige Entscheidungen in den Gemeinden gemeinschaftlich entschieden wurden. Hier liegen die Wurzeln einer „presbyterial-synodalen“ Kirchenverfassung. Sie setzt sich in der Geschichte der Alten Kirche fort. Vor allem die „Ökumenischen Konzilien“ der Kirchengeschichte sind wichtige Wegmarken. Einen „synodalen Weg“ hat es in der Kirche also schon immer gegeben. Warum ist es trotzdem nötig, den Synodalen Weg der Schwesterkirche im Gebet und mit Sorge zu begleiten?

Auch hier hilft ein Blick in die Geschichte. Bereits im 2. Jahrhundert wird deutlich, dass auch andere Leitungsmodelle Vorzüge bieten. Sofern man nicht die Zeit oder den Willen hat, kirchliche Probleme eingehend zu diskutieren und Entscheidungen in Ruhe reifen zu lassen, muss man Positionen anders durchsetzen. Eine formale Argumentation, die auf Autorität setzt, ist dabei nützlich. Im „Laboratorium des Christentums“, das ab und im 2. Jahrhundert nach Wegen sucht, den Glauben auszuformen, wird schließlich akzeptiert, dass ein Würdenträger sich durch seine „geistliche Abstammung“ legitimieren kann. Wer überzeugend deutlich machen kann, dass er – wenn auch vermittelt – durch die Apostel berufen wurde, kann für sich in Anspruch nehmen, eine Gemeinde zu leiten.

Inhaltliches Ringen wird durch Verweis auf die Lehr- und Führungsautorität abgekürzt. Das ist der Sinn der apostolischen Sukzession, der personellen Nachfolge im Amt. Da diese Autorität nicht synodal legitimiert ist, sondern am „geistlichen Stammbaum“ der Person hängt, tritt das Individuum mit seiner persönlichen Abstammungslinie in den Vordergrund. Das Amt des Bischofs ist geboren. Der Weg zur Leitung durch eine Person (Monepiskopat) ist damit neben das Modell der gemeinsamen Leitung getreten und erweist sich in Krisenzeiten als handlungsschneller.

Seit dem 2. Jahrhundert finden sich also zwei Führungskonzeptionen in der Kirche, die sich über die Jahrhunderte mal mehr, mal weniger gut miteinander in Einklang bringen lassen. Verschiedene – spätere – Konfessionen bevorzugen dabei verschiedene Systeme, manche finden Kompromisse, andere wählen eine Seite.

Die Geschichte der römisch-katholischen Kirche ist geprägt vom Wechselspiel beider Richtungen, wobei das sich stetig entwickelnde Papsttum als hervorgehobener Vertreter des monepiskopalen Systems und das Konzil als Vertreter des synodalen Prinzips in fortwährender Konkurrenz zueinander stehen. Erst die Papstdogmen des 19. Jahrhunderts entscheiden diese Konkurrenz zugunsten des Papsttums. Der Papst bekommt nun die absolute Gewalt in der Kirche und lehrt in Fragen des Glaubens und der Moral unfehlbar. Ein Konzil ist damit überflüssig geworden. Was soll eine Synode beschließen, wenn sie letztlich doch vom Papst abhängig ist?

Doch spielen außer dieser grundlegenden Konkurrenz weitere dogmatische Probleme eine Rolle. Ungelöste Fragen des 2. Vatikanischen Konzils werden nun relevant. Wie frei ist ein Diözesanbischof in seiner Einbindung in das bischöfliche Kollegium? Hat er seine Vollmacht von Christus persönlich – wie es das 2. Vatikanische Konzil sagt – oder ist seine Macht doch vermittelt durch den Bischof von Rom – wie es das Konzil ebenfalls nahelegt, wenn es das Handeln jeden Bischofs in Gemeinschaft mit seinen Amtsbrüdern beziehungsweise letztlich mit Rom betont?

Oder weiter: Wie lässt sich das Verhältnis von Welt- und Ortskirche bestimmen? Was hat Vorrang? Rom oder die lokalen Bistümer? Kann man lokal agieren, wenn man global Rücksicht nehmen muss? Oder noch weiter: Welche Kompetenz haben Laien in der Führung der Kirche gegenüber dem Klerus? Dürfen sie per Mehrheitsbeschluss Entscheidungen gegen Geistliche treffen? Alle diese Fragen treten im Rahmen des Synodalen Weges deutlich zutage.

Angesichts dieser Fragen ist verständlich, warum der Synodale Weg für die römisch-katholische Kirche prinzipiell gewagt ist. Die Deutsche Bischofskonferenz begibt sich auf einen mutigen Weg. Dies ist nicht in Abrede zu stellen – auch wenn sie wohl vor allem der pastoralen Not gehorcht.

Im Bistum Trier lässt sich beobachten, wie schwierig ein synodaler Weg sein kann. Dort traf am 21. November 2019 eine Entscheidung der vatikanischen Kleruskongregation ein, die ein Gesetz zur Umsetzung synodaler Beschlüsse aussetzte und weitere Überprüfungen einleitete. Eine Gruppe von Priestern und verschiedene Laien hatten sich in Rom über die geplante Pastoralreform beschwert. Bischof Stephan Ackermann musste auf die römische Entscheidung hin Dekrete zurücknehmen, die synodale Beschlüsse umsetzen sollten. Ein synodaler Prozess ist damit bereits zu einem unbefriedigenden Ende gekommen, nun müssen Scherben aufgekehrt werden.

Der Weg einer breiten Verständigung endet vorläufig an durch Rom aufgezeigten „roten Linien“. Vor allem der Zuschnitt von Pfarreien und das Verhältnis von Priestern zu Laien waren aus der Sicht Roms nicht hinnehmbar. Dieses Thema wird auch auf dem Synodalen Weg diskutiert, zu dem die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken eingeladen haben. Statt eines geplanten dreitägigen Treffens wird der Synodale Weg wegen der Corona-Krise am 4. September mit einer eintägigen Konferenz an fünf verschiedenen Orten fortgesetzt.

Er stellt einen neuen Konsultationsprozess dar und dient in erster Linie dazu, das Vertrauen in die Kirche wiederherzustellen, das vor allem infolge der Missbrauchsfälle heftig gelitten hat. Diskutiert werden „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“, „Leben in gelingenden Beziehungen“, also Fragen der kirchlichen Sexualmoral, die „Priesterliche Existenz heute“, also der Zölibat, und „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“, die Frage der Frauenordination, die vor allem durch die Bewegung „Maria 2.0“ Aufsehen erregt hat.

Während verfahrenstechnische Details des Weges klar geregelt und kommuniziert werden, bleibt doch die entscheidende Frage, was ein solcher Weg leisten kann. Aus Sicht des Vatikans wird er zum einen gewürdigt, weil er ein Weg sein kann, der unter der Führung des Heiligen Geistes neue Horizonte entdecken soll. Zum anderen warnt Papst Franziskus davor, lediglich Fragen der kirchlichen Organisation in den Blick zu nehmen. Er insistiert darauf, dass sich die Kirche nicht an den Zeitgeist anpassen dürfe und warnt davor, dass der „Synodale Weg“ die deutsche Kirche in eine Sonderrolle führen könnte. Damit spricht er das grundlegende Problem von Orts- und Weltkirche an. Wohin darf der Weg führen, wenn Rom bereits zuvor Grenzen setzt?

Aus dem Vatikan kommen zunehmend skeptische Signale. Vor allem Kardinal Marc Ouellet, Präfekt der Bischofskongregation, warnt seine deutschen Amtsbrüder, dass die anvisierten Themen nicht in einem deutschen Sonderweg entschieden werden dürfen und mahnt, dass Laien bei synodalen Entscheidungen nicht das gleiche Stimmrecht haben dürfen wie Bischöfe.

Auf dieser Linie liegt auch eine Instruktion der Kongregation für den Klerus, die im Juli 2020 veröffentlicht wurde und dem Synodalen Weg einen herben Dämpfer versetzte. Die Themenbereiche „Macht und Gewaltenteilung“ und „Priesterliche Existenz heute“ sind davon unmittelbar betroffen. Besonders kritisch sieht die Instruktion Möglichkeiten, Laien an der Leitung von Gemeinden zu beteiligen. Auch bei anhaltendem Priestermangel muss ein Pfarrer die Leitung innehaben. Selbst ein Begriff, wie „Leitungsteam“ ist zu vermeiden, weil er den Anschein erwecken kann, eine Pfarrei werde kollegial geleitet. Jegliche Gedanken in diese Richtung, die viele Bischöfe bereits angestellt oder auf den Weg gebracht haben, werden durch die Instruktion verneint.

Angesichts dieser Entwicklungen ist jetzt mehr als deutlich, dass der Synodale Weg kein einfacher sein wird. Deshalb ist es nötig, der katholischen Schwesterkirche im Gebet beizustehen.

Dr. Paul Metzger ist Pfarrer in Ludwigshafen-Pfingstweide. Zuvor war er Catholica-Referent am Konfessionskundlichen Institut in Bensheim.

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