Der lange Atem auf dem steinigen Weg zum Frieden

Der pfälzische Friedenspfarrer Friedhelm Schneider geht in Ruhestand – Kirche muss wieder mehr Lobby für die Überwindung von Gewalt sein

Friedenskämpfer: Pfarrer Friedhelm Schneider hat mehr als 30 Jahre lang die Friedensarbeit in der Landeskirche geprägt. Foto: Landry

Das Bild mit der Friedenstaube hinter seinem Schreibtisch wird er sicher erst ganz zum Schluss von der Wand nehmen. Der pfälzische Friedenspfarrer Friedhelm Schneider zieht sich zurück – aber sein jahrzehntelanges Engagement für gewaltfreie Konfliktlösungen, für die Versöhnung früherer Kriegsgegner und für die Menschenrechte gibt er nicht auf. Zum 1. Juli geht der dann 65-jährige langjährige Leiter der Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der pfälzischen Landeskirche in den Ruhestand.

Friedhelm Schneider hat sie alle selbst erlebt, die großen friedensethischen Debatten in Gesellschaft und Kirche in den 1970er und 1980er Jahren: um die Nato-Nachrüstung mit Atomraketen, um die Friedensdemonstrationen vor Militärstützpunkten wie in Ramstein. Und der gebürtige Aachener mischt sich noch immer für seine Kirche ein, wenn es um die Frage geht, ob die Bundesrepublik zur Verteidigung ihrer Werte und Interessen auch kriegerische Mittel einsetzen darf.

„Nein!“, urteilt Schneider, der in der Friedensfrage immer deutlich Position bezogen hat: In rund 300 Artikeln trat er seit 1983 als Friedenspfarrer ein für Gewaltverzicht und die Friedenserziehung, vor allem von jungen Menschen. Bis zur Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 beriet er Tausende junge Männer, die den Dienst an der Waffe verweigern wollten. Der Frieden ist niemals sicher und bleibt ein bedrohtes Gut, das man bewahren muss, wird Schneider nicht müde zu warnen.

Der Kirche kommt dabei nach seiner Einschätzung durch ihren biblischen Auftrag zur Überwindung von Gewalt ein besonderer Auftrag zu. Mehr als in den vergangenen Jahren müsse sie die vielleicht wichtigste Lobby für den Frieden sein und einen allgemeinen Mentalitätswandel fördern, sagt Schneider. Vor allem in den Köpfen der Menschen müsse sich durchsetzen, dass militärische Gewalt kein Mittel zur Lösung von Konflikten sein könne.

Froh zeigt sich der Theologe darüber, dass die Speyerer Arbeitsstelle in ihrem Zuschnitt – die Friedens- und Umweltarbeit und die Beratung von Absolventen des Bundesfreiwilligendienstes – erhalten bleiben soll. Die Synode hatte in der Vergangenheit darüber diskutiert, Schneiders Stelle für die Friedensarbeit einzusparen. Zwei Jahre noch bleibt er als Leiter des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung in Brüssel oberster Ansprechpartner für Kriegsdienstverweigerer in den Mitgliedsstaaten des Europarats. „Friedensarbeit ist kein Selbstläufer“, betont Schneider, „sie braucht einen langen Atem.“ Ein „Skandal“ sei es, dass Deutschland einer der größten Rüstungsproduzenten sei. Die Politik müsse mehr Geld in die Hand nehmen für zivile Konfliktprävention und die Erziehung zum Frieden, vor allem an den Schulen. Auch die aus Landesmitteln geförderte Friedensakademie in Landau könne dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Neue Zeitzeugen der Friedensbewegung seien nach dem Wegsterben der Kriegsgeneration nötig, um jungen Menschen über die Herausforderungen des Friedens, das Grauen von Krieg sowie Aufrüstung und Militarismus zu berichten. Auf dem langen Weg zum Frieden konnte Schneider einige Wegmarken setzen. Über den von ihm aufgebauten Auslandsdienst für deutsche Zivis in Frankreich und Belgien brachte der studierte Theologe und Romanist die früheren Kriegsgegner miteinander ins Gespräch. Seiner Beharrlichkeit ist es mit zu verdanken, dass nach jahrzehntelangen Diskussionen in der Europäischen Grundrechtscharta von 2009 das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen festgehalten wurde. Seit Juni 2013 ist dieses Recht auch Bestand­teil der EU-Leitlinien für Religionsfreiheit. Das biblische Bild von den zu Pflugscharen umgeschmiedeten Schwertern sei keine naive Träumerei.

„Frieden ist möglich“, sagt Schneider. Der bekannte Satz des Journalisten und katholischen Theologen Franz Alt könnte auch stehen für seine persönliche Lebensbilanz. Alexander Lang

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