Den Kontakt nicht abreißen lassen

Pfälzer Teilnehmer bei der Kindergottesdienstgesamttagung sehen Chancen für sich ändernde Konzepte

32 Mitwirkende aus der pfälzischen Landeskirche dabei: Gesamttagung für Kindergottesdienst in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Foto: Rummel

Große Gesten unter freiem Himmel: Gerhard Jung demonstriert bei der Geschichte von der Sturmstillung die Wirkung von freiem Erzählen. Foto: Rummel

Regt zum Entdecken an: Die von Heike Buhles konzipierte Kirche aus Weinkisten. Foto: Rummel

Kindergottesdienst in der Pfalz lebt. Das zeigte auch die jüngste Gesamttagung für Kindergottesdienst in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die im Mai in Stuttgart stattfand. 32 Mitwirkende aus der pfälzischen Landeskirche waren dabei, bei insgesamt 150 Mitwirkenden bei der Tagung eine sehr große Zahl im Verhältnis zur Landeskirchengröße, sagt Pfarrer Andreas Rummel, der unter anderem mit Pfarrer Christian Rust eine Bibelarbeit anbot. Dazu war er kurzfristig von den Ausrichtern als offizieller Fotograf angefragt worden, was dazu führte, dass er unzählige Programmpunkte miterlebte – und zu Fuß viele Kilometer machte, wie er betont.

Die Veranstalter seien vom Zuspruch überrascht gewesen, sagt Rummel. 400 Dauerkarten seien im Vorfeld verkauft worden, am Ende waren es 2000, dazu kamen rund 400 bis 500 Tagesanmeldungen. „Ich fand es bemerkenswert, wie viele junge Leute da waren, der Anteil der unter 13-Jährigen betrug etwa zehn Prozent“, sagt Rummel. Was Hoffnung macht, schließlich krankt es in manchen Gemeinden nicht an Kindern, sondern an Ehrenamtlichen. In Bolanden etwa wurde aus diesem Grund vor einigen Jahren schon der Kindergottesdienst am Sonntag mit der Jungschar zusammengelegt und findet jetzt einmal monatlich am Samstag statt. „Damit sind wir auch ausgelastet“, sagt Manuela Schlimmer vom dortigen Kindergottesdienstteam, die ebenfalls in Stuttgart war. Ihre Erfahrung aus Bolanden: Eltern lassen sich für Mitarbeit begeistern, jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum – etwa ein Krippenspiel.

Die Entwicklung in der Nordpfälzer Gemeinde ist beispielhaft. In zwei Drittel von 128 pfälzischen Kirchengemeinden, die sich im vergangenen Jahr auf eine Anfrage von Pfarrerin Urd Rust, zuständig für die Kindergottesdienstarbeit in der Evangelischen Kirche der Pfalz, zurückmeldeten, findet Gottesdienst für Kinder nur noch einmal im Monat statt, in weiteren 19 Prozent der Gemeinden alle 14 Tage. Nur ein Sechstel aller Kirchengemeinden hält noch am traditionellen Modell fest. Von einem generellen Trend würde sie allerdings nicht sprechen, sagt Rust. Über die vergangenen Jahre habe sie hier eher Wellenbewegungen festgestellt. Sie sei aber skeptisch, ob der wöchentliche Kindergottesdienst in den nächsten Jahren auf breiter Basis zurückkomme.

Der Sonntag werde für Unternehmungen mit der Familie genutzt. Umgekehrt kann Rust die Kritik, bei einer Kindergottesdienstveranstaltung am Samstag würden Eltern ihre Kinder „parken“, um einkaufen zu gehen, nicht verstehen: „Wenn wir sagen, Kinder haben ein Recht auf Religion, dann sollten wir jede Gelegenheit dazu nutzen.“

Schließlich bildet Kindergottesdienst die Basis für den Gemeindeaufbau, erklärt Ingo Schenk, Referent für Grundsatzarbeit, Fortbildung und Beratung im Landesjugendpfarramt Kaiserslautern. Bei der Gesamttagung referierte er über „Gemeindeaufbau aus Perspektive kirchlicher Jugendarbeit“. Seine These: „Wir müssen früh ansetzen, um Kinder an Kirche zu gewöhnen, zu den Themen zu bringen.“ Wichtig seien die Übergänge, Nachfolgeangebote, beispielsweise von einer Eltern-Kind-Gruppe zur Kleinkindergruppe, oder vom Kindergottesdienst zum Leiterkreis. Dies könne eine Antwort sein auf die Tatsache, dass Kirche in bestimmten Bereichen so viele Familien verliert, sagt Schenk. Bisher liefen noch zu viele Angebote netzwerkartig nebeneinander her. Besser wäre eine aufeinander aufbauende Struktur. „Die Pfadfinder machen das seit Jahren sehr gut“, sagt Schenk, und nennt außerdem im Bereich Kinderkirche die Gemeinden in Ruchheim, St. Ingbert-Hassel, Maxdorf oder Hüffler als gute Beispiele. In Miesau soll ein Tauferinnerungsgottesdienst nach fünf Jahren den Kontakt zu Kindern am Ende der Kindergartenzeit aufrechterhalten.

Analysiert werden müssten immer die jeweiligen sozialräumlichen Gegebenheiten. So ist das Projekt Elternfrei in Speyer, bei dem Kinder einen Samstagabend zusammen im Gemeindehaus verbringen, entstanden, sagt Schenk: „Wir haben gesehen, dass Eltern zwar wenig Zeit für sich selbst zu zweit, aber viel Zeit für die Kinder haben.“ Umgekehrt gibt es immer weniger Familien, die am Sonntagmorgen in die Kirche gingen, sagt Gemeindediakonin Anja Bein, die das Projekt federführend leitet. „Es ist oft der einzige Tag, den die Familie zusammen frei hat“, sagt Bein. Die Arbeitswelt habe sich verändert. Dazu kämen immer mehr getrennte Paare, sodass Kinder sonntags abwechselnd an verschiedenen Orten seien. Auch deshalb greife der Begriff Kindergottesdienst schon lange nicht mehr.

„Wir kämpfen schon seit Jahren dafür, von Kirche für Kinder zu sprechen“, sagt Bein als Kindergottesdienstbeauftragte im Dekanat Speyer. Dazu zählen für sie genauso eine Kirchenführung mit Kindern als auch eine Übernachtung im Gemeindehaus, Kinderbibeltage oder ein Familiengottesdienst. Wenn die Kirche mit positiven, persönlichen Erlebnissen verknüpft sei, sei man auf dem richtigen Weg, Identität zu stiften. „Das ist die Kinderkirche“, habe ihr einmal ein Kind zur Gedächtniskirche gesagt.

Nötig sei die persönliche Ansprache, sagt Bein. Kinder sollten sich nicht als Fremdkörper fühlen. In der Gedächtniskirche gibt es zwar keine Betreuung während des regulären Gottesdienstes, dafür bekommen Gottesdienstbesucher mit Kindern zur Begrüßung Mappen mit Malsachen und Gummibärchen darin. Familien von Täuflingen werden die ersten drei Jahre nach der Taufe jährlich zum Tauferinnerungsgottesdienst eingeladen. Und zum Gottesdienst am Ende der Kindergartenzeit erhalten die Eltern eine Übersicht mit Angeboten der Kirchengemeinde. Das Auf-die-Menschen-zugehen lohnt sich, ist Beins Erfahrung. Das gelte genauso für die Eltern von Konfirmanden, die sie künftig versuchen will, stärker einzubinden. Schließlich sei bei allem Erfolg der Projekte für die Kinder eins ersichtlich: „Wir verlieren die Erwachsenen, nicht die Kinder“. Florian Riesterer

Kinderkirchengesamttagung

Die Gesamttagung für Kindergottesdienst in der Evangelischen Kirche in Deutschland findet alle vier Jahre statt. In Stuttgart waren neben dem Gesamtverband für Kindergottesdienst in der EKD die Landeskirchen von Baden, Württemberg und der Pfalz sowie der Württembergische Evangelische Landesverband für Kindergottesdienst und der Verband für Kindergottesdienstarbeit der Evangelischen Landeskirche in Baden beteiligt. Schirmherr war Samuel Koch. Die nächste Tagung findet 2022 in Lübeck statt.

Beim Eröffnungsabend begrüßten Gemeindediakonin Natalie Dernberger sowie die Ehrenamtlichen Margot Füßer und Kerstin Funke-Merkel die Besucher mit pfälzischem Essen. Bibelarbeiten boten die Pfarrer Andreas Rummel und Christian Rust sowie Peter Busch und Gemeindediakonin Ruth Magsig an. In der „Oase der Stille“ konnten Besucher zur Ruhe finden, Seelsorgegespräche fanden hier statt. Gestemmt wurde das Angebot von Lydia Würth, Kerstin Funke-Merkel und Gemeindediakon Gerhard Jung. Im Kreativmarkt waren Anja Bein und Heike Buhles zu finden, im Zentrum „Bibel und Erzählen“ referierten Ruth Magsig und Michael Landgraf. Jugendreferent Pascal Wilking und vier Jugendliche waren als freiwillige Helfer an verschiedenen Orten in Stuttgart im Einsatz. flor

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