Christlich-jüdische Familien in den Tod getrieben

Filmprojekt arbeitet letzte Lebensstunden des Schriftstellers Jochen Klepper und seiner Familie auf – Dreharbeiten in Speyer und Umgebung

Plant für seinen Film über Jochen Klepper zwei Monate Drehzeit ein: Der Speyerer Filmemacher Benjamin Martins (links). Foto: Landry

Ein neues Filmprojekt widmet sich den letzten Lebensstunden des evangelischen Schriftstellers und Liederautors Jochen Klepper (1903 bis 1942), der von den Nationalsozialisten gemeinsam mit seiner jüdischen Frau und deren Tochter in den Suizid getrieben wurde. Der kammerspielartige Kinofilm „Schattenstunde“ wolle eine bisher kaum beachtete Seite der nationalsozialistischen Judenverfolgung beleuchten, sagte der Speyerer Filmemacher Benjamin Martins dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Film, der auf den Tagebucheinträgen Kleppers beruht, soll 2020 bundesweit in die Kinos kommen.

Tausende in damals sogenannter Mischehe lebende christlich-jüdische Familien hätten sich in der NS-Zeit aus Verzweiflung selbst getötet, um den Schrecken der Judenverfolgung zu entgehen, sagte der 34-jährige Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler. Ihnen werde bis heute nicht auf den Gedenktafeln der Konzentrationslager gedacht. Auch der in Berlin lebende Schriftsteller Klepper, seine Frau Johanna und deren Tochter Renate hätten diese Entscheidung für sich getroffen.

Das Filmprojekt sei Teil der gesellschaftlichen Initiative „Speyer macht sich stark“, die sich gegen Rechtsextremismus und Populismus engagiert, sagte Benjamin Martins. Nach der Laufzeit in Kinos solle der Film auch Jugendlichen in Schulen und Vereinen sowie in Kirchengemeinden im Großraum Speyer, Mannheim und Heidelberg gezeigt werden. Bei Veranstaltungen wollten die Filmemacher und Zeitzeugen mit jungen Menschen über die gesellschaftlichen Folgen von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und rechtsextremer Gewalt ins Gespräch kommen.

Zwei Jahre lang beschäftigte sich Martins intensiv mit der Lebensgeschichte Kleppers, dessen Lyrik in verschiedene Gesangbücher und Liedsammlungen eingegangen ist. Lieder des im niederschlesischen Beuthen geborenen Schriftstellers wie „Er weckt mich alle Morgen“, „Die Nacht ist vorgedrungen“ und „Der du die Zeit in Händen hast“ werden bis heute in Kirchengemeinden gerne gesungen.

Die Nationalsozialisten drohten Klepper, der nach seinem Studium der evangelischen Theologie auch als Journalist arbeitete, mit Zwangsscheidung und der Deportation seiner Frau und jüngeren Stieftochter. Der Film „Schattenstunde“ beginnt mit der Begegnung von Klepper mit dem SS-Obersturmbannführer und Organisator des Holocausts, Adolf Eichmann, im Jahr 1942. Nachdem dieser einen Ausreiseantrag für Johanna Klepper und deren Tochter ablehnte, tötete sich die Familie in derselben Nacht in ihrer Berliner Wohnung mit Gas selbst.

Die Bildästhetik des Films spiegele die Verzweiflung und wachsende innere Enge der Figuren in den letzten Stunden ihres Lebens, sagte Martins. Jochen Klepper und seine Familie hätten in dieser „Schattenstunde“ den Suizid gewählt und sich über die Regeln von Kirche und Gesellschaft hinweggesetzt, die den Suizid lange Zeit ächteten. In existenzieller Not hätten die drei Menschen ihre letzte Hoffnung auf Gott gesetzt.

Die zweimonatigen Dreharbeiten für den Film „Schattenstunde“ beginnen demnächst in Speyer und Umgebung. Die Gesamtkosten für das Projekt von Martins Filmfirma „Herbsthundfilme“ belaufen sich auf 75000 Euro. An der Finanzierung beteiligen sich Stiftungen, Unternehmen, Vereine und Institutionen. Weitere Sponsoren seien willkommen, sagte Martins. Schauspieler, Komparsen und das Produktionsteam hätten für das Projekt auf ihre Gagen verzichtet und erhielten lediglich eine Aufwandsent­schädigung. Alexander Lang

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