Auf vier Lebenssäulen im Kampf gegen den Burn-out

Carmen Bösen ist Gesundheitsmanagerin der Landeskirche – Sie will Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit der Kirchenmitarbeiter erhalten

Hat einen ganzheitlichen Blick auf die Kirchenbeschäftigten an ihrem Arbeitsplatz: Die Gesundheitsmanagerin Carmen Bösen. Foto: epd

Zu Hanteltraining und morgendlichem Jogging will sie die Kirchenmitarbeiter nicht verdonnern. „Zwang funktioniert nicht“, weiß Carmen Bösen. „Nicht ,du musst‘, sondern, ,was können wir zusammen tun, dass es dir besser geht?‘“, müsse die Frage beim Thema Gesundheit am Arbeitsplatz lauten, sagt die 26-jährige Freinsheimerin. Seit Anfang Januar ist sie Gesundheitsmanagerin der Evangelischen Kirche der Pfalz in Vollzeit – und damit nach eigenen Worten bundesweit „eine Pionierin“ in der evangelischen Kirche.

Für ihren neuen Job ist die sportliche junge Dame quasi fit wie ein Turnschuh: Sie machte ihren Master für ­Betriebliches Gesundheitsmanagement und Coaching, jobbte studienbegleitend im internen Gesundheitsmanagement des Software-Unternehmens SAP SE in Wiesloch-Walldorf. Die ausgebildete Bodybuilderin mit den roten Strähnen im Blondschopf betrieb zwei Jahre lang aktiven Leistungssport. Zudem verfügt sie über diverse Trainerlizenzen in den Bereichen Kraftsport und Fitness, Fortbildung und Ernährungspsychologie.

Hoch gesteckt sind die Hürden, die die Gesundheitsexpertin in ihrer zunächst auf fünf Jahre befristeten Projektstelle überwinden soll. „Die Evangelische Kirche der Pfalz will die Zufriedenheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten und fördern“, hieß es in der Jobausschreibung, auf die sie sich bewarb.

Hintergrund ist das Rahmenkonzept „Gesundheit im Beruf“, das die Landessynode im Jahr 2017 anlässlich der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze für Kirchenbeschäftigte auf 67 Jahre beschloss. Ein tatsächliches Arbeiten werde für die Mehrzahl der Beschäftigten bis zu diesem Alter nur dann möglich sein, wenn ihre Gesundheit und ihre Leistungsfähigkeit durch ein begleitendes Gesundheitsmanagement gefördert würden.

Bösens Aufgabe ist es nun, zunächst das Arbeitsumfeld von Pfarrern oder Mitarbeitern von gemeindebezogenen Diensten zu analysieren: Wo ist die Gesundheit gefährdet, was kann man tun, um Gesundheitsgefahren zu vermeiden? Dazu plant sie Fragebögen und Gespräche sowie Reisen durch die Landeskirche, etwa in die Pfarrkonvente und Dekanekonferenzen. Bei Hospitanzen in verschiedenen Berufsgruppen will Bösen herausfinden, wo es in der Kirche „zwickt“.

Die Kirche sei ein Kümmerer für Kranke und Leidende, sagt die Sportlerin. Folglich habe sie eine besondere Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber. Gesundheit bedeute mehr als Sport, nämlich ein ganzheitliches Wohlfühlen – eine Balance von Körper und Geist. Dabei setzt Bösen auf die vier „Lebenssäulen“, die der iranische Psychotherapeut Nossrat Peseschkian definiert hat: Beruf und materielle Sicherheit; Körper, Fitness und Gesundheit; soziale Kontakte und Traditionen; Sinn und Spiritualität. Wenn ein Mensch fest auf diesen Säulen stehe, sei es wahrscheinlich, dass er gesund, glücklich und auch leistungsfähig bleibe.

Das wiederum ist interessant für den Arbeitgeber Kirche, der durch ein Gesundheitsmanagement seine Kosten durch Fehlzeiten und Krankheit um etwa ein Viertel senken könne, rechnet Bösen vor. Eine „knallharte Kalkulation“ sei es für die Kirche, durch rechtzeitige Investitionen in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter etwa langfristige Ausfälle durch Burn-out zu verhindern. Wertschätzung, Anerkennung und sinnvolle Arbeit seien zentral wichtig, um Menschen an ihrem Arbeitsplatz gesund zu halten, sagt sie.

Wenn Arbeit Menschen krank mache, sei es auch nötig, Unternehmensstrukturen zu ändern. Dazu zählten flexible Arbeitszeiten, Heimarbeit und ein altersgerechtes Arbeiten. Für die Kirche berge die Sorge um die Gesundheit einen Image- und Wettbewerbsvorteil, sagt Carmen Bösen. „Viele junge Leute können sich heute ihren Arbeitgeber aussuchen und achten darauf, was er ihnen sonst noch bietet.“ Alexander Lang

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