Auf Blindflug mit den Diakonissen 2.0

Teilnehmer des neuen Diakonissen-Ausbildungskurses wollen den Geist der Gemeinschaft weitertragen

„Textwerkstatt“: Ludwig Burgdörfer (Zweiter von links) spricht über die Nutzung von Bibelstellen bei der Arbeit. Foto: Landry

Guten Tag, Frau S., ich komme von den Diakonissen und gratuliere Ihnen ganz herzlich zum 80. Geburtstag!“ Die „Jubilarin“ wischt sich eine imaginäre Träne weg. „Die Diakonissen“, sagt Frau S. zu ihrer Besucherin gerührt, „die denken an mich.“ Gelächter, gute Laune beim Rollenspiel: Zehn Frauen und drei Männer sitzen in der Runde im Speyerer Mutterhaus. Sie sind Teilnehmer eines eineinhalbjährigen Ausbildungskurses zur Diakonisse neuer Form und zum Diakon der Diakonissen Speyer-Mannheim. Zukünftig sollen sie in ihren Einsatzorten in Kirchengemeinden, Krankenhäusern, Altenheimen und anderen diakonischen Einrichtungen in der Pfalz wirken.

Eine neue Ära der Diakonissen in Speyer hat begonnen: An Pfingsten vergangenen Jahres hatte sich die mehr als 150 Jahre alte evangelische Schwesterngemeinschaft wegen Überalterung und Nachwuchsmangel gewandelt und sich auch für Männer zu einer verbindlichen diakonischen Gemeinschaft geöffnet.

Bei dem Ausbildungskurs geht es nun darum, die Teilnehmer fit dafür zu machen, in ihrem haupt- oder ehrenamtlichen Arbeitsfeld das diakonische Profil aktiv mitzugestalten, erläutert Oberin Isabelle Wien. Gemeinsam mit dem Missionarisch-Ökumenischen Dienst (MÖD) der Landeskirche in Landau wurde ein Grundlagenseminar erarbeitet, bei dem die Teilnehmer an elf Abenden ihren christlichen Glauben vertiefen und sprachfähig bei Glaubens- und Lebensfragen werden sollen.

„Ich will, dass vom Geist der Diakonissen etwas weiterlebt“, nennt Sabine Seifert ihre Motivation, sich in enger Gemeinschaft für hilfebedürftige Menschen zu engagieren. Die Diakonissen seien für sie ein Vorbild, sagt die Diakoniewissenschaftlerin, die das Hospiz im Wilhelminenstift der Diakonissen in Speyer leitet. „Sie haben etwas Gutes auf den Weg gebracht.“ Von dem Ausbildungskurs erhofft sie für sich eine Zurüstung für seelsorgerliche Tätigkeiten, wie das Gestalten kleiner Andachten oder für Aussegnungen für Sterbende oder Verstorbene. „Wir brauchen Diakonissen 2.0“, sagt Stefan van Ganswijk. Gemeinsam mit seinen „Schwestern“ und „Brüdern“ will der Internist am Diakonissen-Stiftungskrankenhaus Speyer mithelfen, „das Fundament der Diakonie auszubauen und nicht zu verlieren“. Immer mehr entsolidarisiere sich die Gesellschaft mit ihren Schwachen, kritisiert der 51-jährige Oberarzt.

Klare Erwartungen an die neu entstehende Gemeinschaft der Diakonissen und Diakonie hat er nicht. „Keiner weiß genau, wo er ’rauskommt“, sagt van Ganswijk. Bei dem zeitintensiven Amt müssten auch die Familien der Teilnehmer mitziehen. Eine große Herausforderung werde es sein, die „sehr motivierte Mannschaft“ über viele Jahrzehnte nach der Phase der ersten Euphorie zusammenzuhalten.

Silvia Gölter vom Religionspädagogischen Zentrum in Speyer hat im KIRCHENBOTEN von dem Ausbildungskurs gelesen. Auch ihre Motivation ist es, „zu dienen, etwas zu bewegen“, wie sie sagt. Vorstellen könnte sie sich, mit Senioren etwa Spaziergänge zu unternehmen. Die „fantastische Arbeit“ der alten Diakonissen hat Doris Rockert als Kind noch selbst erlebt. Lange habe sie mit sich gehadert, ob sie für ihr neues Ehrenamt stark genug im Glauben sei, erzählt die Berufsbetreuerin aus Speyer. Wichtig sei ihr der gelebte Glaube, sagt Rockert, die sich in der diakonischen Gemeinschaft auch eine geistliche Heimat erhofft. Bei ihrer „Grundalphabetisierung“ werden die evangelischen Frauen und Männer auf ein Mandat in Kirche und Diakonie vorbereitet, macht Pfarrer Ludwig Burgdörfer deutlich. Die Diakonissen und Diakone agierten nicht als Privatpersonen, sondern im Auftrag einer größeren Gemeinschaft, die sie halte und auch schütze, sagt der Leiter des MÖD.

Gemeinsam mit der Gemeindepädagogin Ruth Magsig gestaltet er eine „Textwerkstatt“, bei der es um die Verwendung biblischer Texte für die diakonische Arbeit geht. Ein Gebet, eine Andacht könnten das seelische Gleichgewicht von Kranken stärken, sagt Burgdörfer. Er weiß, dass er mit Pionieren auf der Suche nach einer neuen Form für die Diakonissen „auf einen Blindflug“ gestartet ist: „Ich bin gespannt, wohin er uns trägt.“ Alexander Lang

Ausbildungskurs für neue Diakonissen und Diakone erfolgreich

Diakonisches Profil der Kirche mit Leben füllen – 19 Frauen und Männer werden an Christi Himmelfahrt 2019 bei Gottesdienst eingesegnet

Die mehr als 150-jährige Tradition der Speyerer Diakonissen wird in neuer Form recht erfolgreich in die Zukunft getragen. Mehr Frauen und Männer als erwartet beteiligten sich an dem im vergangenen November in Speyer gestarteten Ausbildungskurs zur „Diakonisse neuer Form“ und zum „Diakon der Diakonissen Speyer-Mannheim“, sagte Pfarrerin Corinna Kloss in Speyer. 19 Personen – 15 Frauen und vier Männer – absolvierten das eineinhalbjährige theologisch-diakonische Grundlagenseminar. An Christi Himmelfahrt 2019 werden die Teilnehmer in einem Gottesdienst eingesegnet.

Die evangelischen Frauen und Männer hätten sich dazu entschieden, mit Glauben, Leben und Dienst einer verbindlichen diakonischen Gemeinschaft anzugehören, sagte Kloss. Gemeinsam mit Schwester Isabelle Wien, der Oberin der Diakonissen Speyer-Mannheim, wurde die Pfarrerin an Pfingsten vergangenen Jahres als erste „Diakonisse neuer Form“ eingesegnet. Der Grund dafür, dass sich die evangelische Schwesternschaft der Diakonissen mit dem neuen Angebot öffnete, ist der Nachwuchsmangel: Die Lebensform der Diakonissen, die auf Ehe und Gehalt verzichten und als Gemeinschaft im Speyerer Mutterhaus leben, ist nicht mehr zeitgemäß.

Die angehenden „Diakonissen neuer Form“ und „Diakone der Diakonissen Speyer-Mannheim“ wollten ihren christlichen Glauben vertiefen und darin „sprachfähig“ werden, sagte Kloss. Zehn von ihnen sind Mitarbeiter des diakonischen Trägers. Sie sind Erzieherinnen, Krankenschwestern, Hospizhelfer, Ärzte oder Verwaltungspersonal. Zudem brächten sich zwei katholische Mitarbeiter in der diakonischen Gemeinschaft in der ökumenisch offenen Gruppe der Diakonischen Schwestern und Brüder ein. Nichtchristen wie muslimische Mitarbeiter der Diakonissen Speyer-Mannheim können hingegen nicht Mitglieder der diakonischen Gemeinschaft werden. Für sie solle es allerdings mehr gemeinschaftsstiftende Angebote, wie etwa interreligiöse Fortbildungen, geben, sagte Kloss.

Die Absolventen des Grundlagenseminars sind zwischen 30 und 70 Jahre alt. „Von Anfang an war zu spüren, mit welcher Freude und Offenheit die Teilnehmenden sich auf den Weg machen“, sagte Kloss. Für sie sei das christlich-diakonische Profil der Diakonissen „ein Markenkern, der nicht nur auf dem Schild steht“, sagte sie.

Einige Kursteilnehmer hätten auch Interesse an einer Prädikantenausbildung gezeigt, um bei Gottesdiensten in ihren Gemeinden predigen zu können. Die meisten Diakonissen im Ruhestand begrüßten es, dass ihr Dienst in neuer, offenerer Form fortgeführt werde, sagte Kloss. Ein weiterer Grundlagenkurs ist für den Herbst 2019 geplant, einen Infor­ma­ti­ons­abend dazu gibt es am 7. Februar um 18 Uhr im Speyerer Diakonissen-Mutterhaus. all

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